Letzten Monat habe ich Günter in einem online-Bewerbungskurs kennengelernt. Er ist ein 62-jähriger Vollblut-Koch. Als ich sein Alter hörte, versuchte ich ihn bereits reflexartig zu beruhigen: «Sie sind auf der sicheren Seite. Selbst wenn Sie kennen Job mehr finden werden, die Überbrückungsrente wird dies auffangen.». Günter schaute mich an und meinte nur, dass er nicht Rente beziehen wolle, sondern arbeiten. Am liebsten würde er auch über die Pension hinaus in der Küche stehen und neue Rezepte ausprobieren. Ayurvedische, vegane, indische und französische Küche gehören bereits zu seinem Standartrepertoire.
Kurse per Zoom waren nicht wirklich sein Ding, dennoch hatte er sich genau dafür angemeldet. So könne er noch mehr Neues lernen. Also übte er fleissig und alle unterstützten ihn. Er loggte sich am Morgen immer als erster ein und nutzte die Coaching-Sitzungen am Nachmittag fleissig.
In diesem Monat wurde er zu drei Vorstellungsgespräche und einem Probekochen eingeladen. Danach hatte er seinen Vertrag. Er wird nun für eine Gastronomiekette ein neues Restaurant aufzubauen, welches er später leiten wird.
Auf meine Frage hin, was er nach seiner Pension nun vorhabe, ob er vielleicht reduziert weiterarbeiten will, meinte er nur: «Am liebsten Vollzeit. Mal schauen, wie es da läuft. Wenn mir der Betrieb nicht mehr gefällt, suche ich wieder was Neues.»
War das jetzt Zufall? Ich denke nicht. Was machte Günter anders als alle anderen Bewerbenden? Er lernt ständig dazu, er hat keine Angst, neue Wege zu beschreiten und auf Menschen zuzugehen. Selbst vor der verflixten Technik schreckt er nicht zurück. Ein toller Mann. Ich fühle mich geehrt, dass ich ihn auf seinem Weg ein Stückchen begleiten durfte.